These der Stunde

Ein Standpunkt dazu

Respekt?

In vielen tiefergehenden Diskussionen über gesellschaftliche oder philosophische Fragen geht es auch darum, erst einmal ein gemeinsames Verständnis der diskutierten Begriffe zu finden. Für den Begriff Respekt gilt das ganz besonders. Mit Respekt kann Anerkennung, Wertschätzung, Ehrerbietung bis hin zu Ehrfurcht gemeint sein, aber auch Vorsicht bis hin zu Angst vor einer überlegenen Person.

Hier soll mit Respekt gemeint sein, eine andere Person als ebenbürtig und gleichwertig anzuerkennen - und zwar aus innerer Überzeugung, nicht aus rein theoretischen ethischen Erwägungen heraus.

Bei uns extremen Gruppentieren stärkt das beide Seiten, nicht nur die so respektierte Person. Es stärkt die eigene Gruppe und damit den Respektierenden selbst, auf diese Weise jemanden hinzuzunehmen. Selbst, wenn das zunächst nur versuchsweise und im Schutz eines Spiels erfolgt, wie in den Respekträumen. Dieser Respekt ist keine moralschwere Übung, sondern ein Gewinn. 

Toleranz?

Jemanden zu tolerieren heißt eigentlich, jemanden zu erdulden. Und einem Menschen zu verstehen zu geben, dass man ihn erduldet, ist eine Beleidigung. Dafür wird dann von diesem Menschen nicht selten sogar noch Dankbarkeit erwartet. Natürlich ist Toleranz wichtig, wenn sonst nur Intoleranz bleibt. Aber sie kann eigentlich nur ein vorübergehender Zustand auf dem Weg zur Klärung des Verhältnisses sein. 

Mit der Sicherheit von echtem gegenseitigem Respekt im Rücken aber ist es wiederum möglich, Meinungen und auch Verhalten eines Anderen eben auch einmal nicht zu tolerieren, ohne diesen Menschen dadurch als Ganzes anzugreifen oder herabzuwürdigen. 

Demokratie basiert darauf, dass Menschen mit verschiedenen Interessen diese als ihre Interessen und nicht als moralisch höherstehende oder gar einzig mögliche Standpunkte vertreten und sie basiert darauf, dass Menschen mit anderen Interessen als solche wahrgenommen werden und nicht als moralisch unterlegene oder gar verdorbene Subjekte. Aber die Tendenz, den ganzen Menschen auszugrenzen, oder gar zu verdammen, nimmt in den letzten Jahren leider wieder zu. Demokratischer Streit funktioniert nur, wenn die anderen in ihrer Würde dabei nicht angegriffen werden. Unter der Voraussetzung der unantastbaren Würde ist es in der Demokratie möglich, nicht jeden Standpunkt und jedes Handeln gleichermaßen zu tolerieren. Respekt ermöglicht den klärenden Streit.

Selbstverständlich sind nicht alle Positionen moralisch indifferent gleichwertig. Es gibt eindeutig Positionen, die das Wohl anderer weniger oder gar nicht berücksichtigen. Die meisten Menschen kommen zu solchen Positionen vermutlich eher aus Verwirrung oder dem Gefühl der Kränkung oder Angst, aber es gibt natürlich auch solche, die irgendwann der Bestie in sich freien Lauf lassen. Zu viel gleichgültige oder herablassende Toleranz kann diesen Weg sogar ebnen. Aber so lange die Menschen mit Respekt noch erreichbar sind, gibt es eine Möglichkeit, mit ihnen auch über die Grenzen der persönlichen Toleranz zu reden. 

Ein weiterer Standpunkt dazu

 

Menschen sind und handeln in erster Linie als emotionale Wesen. Rationales Denken und Reagieren ist etwas, das wir erst mühsam erlernen müssen. Empathie entwickelt sich erst im Alter von vier Jahren und muss durch ständiges Üben und Bestätigen gefestigt werden.
Respekt einem anderen Menschen und ihren oder seinen Meinungen gegenüber kann nur mithilfe von Rationalität und Empathie entstehen. Ehrlicher Respekt – nicht nur respektvolles Verhalten – kann nur durch Verständnis entstehen, was die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber und ihren / seinen Standpunkten voraussetzt. Dies ist ein Prozess, der Zeit kostet.

Doch egal wie rational wir gelernt haben zu handeln, greift als aller erstes unser emotionales Denken. Insbesondere, wenn wir mit einer Meinung konfrontiert werden, die sich von unserer unterscheidet oder dieser sogar widerspricht. Ebenso, wenn wir mit Menschen konfrontiert werden, deren Verhalten und Handeln sich von unserem unterscheidet. Bis wir es schaffen, rational darauf zu reagieren, braucht es einen Brückenschlag.

Toleranz erfordert nicht dasselbe Ausmaß an Rationalität wie Respekt. Toleranz kann eine Grundeinstellung sein, die emotional gefestigt ist und damit wird sie zum Wegebner von Respekt. Erst, wenn wir bereit sind, andere Menschen und Meinungen, egal wie verschieden zu uns, zu tolerieren, gibt uns das den nötigen Raum dazu, aufrichtigen Respekt dafür zu entwickeln.
Andersherum steht Toleranz auch nach dem Respekt. Es scheint Meinungen zu geben, die es unmöglich für ihre Träger*innen machen, sich gegenseitig zu respektieren. Und auch wenn dies nicht der Idealfall ist, dürfen wir uns nicht der Fantasie hingeben, es wäre anders. Hier fungiert die Toleranz als Fangnetz und ermöglicht es uns, trotz einiger unbehebbarer Differenzen demokratisch miteinander zu leben.

Natürlich darf Toleranz niemals eine Ausrede dafür sein, nicht die Kraft aufzubringen, Respekt füreinander zu entwickeln. Als Ebner und Notanker ist sie aber unabdingbar.

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