Im Gespräch

Der Gesprächsgartens befindet sich im Alten Botanischen Garten der Philipps-Universität im Zentrum Marburgs, Pilgrimstein, 35037 Marburg. 

marburgimgespraechsgarten.org 
 

Tipps aus dem Gesprächsgarten

 

Vor einer Weile meldete sich Eva Maria Gauß von der Philipps-Universität Marburg bei uns. Sie ist eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Sprechwissenschaften, die sich mit gesprochener Sprache beschäftigt und ein spannendes Projekt zur Wissenschaftskommunikation und Förderung fruchtbarer Gespräche über die Pandemie ins Leben gerufen hat: Den Gesprächsgarten. Diesen hat sie uns vorgestellt, so sind auch wir ins Gespräch gekommen. Der Gesprächsgarten ist eine Open-Air-Audio-Ausstellung im Alten Botanischen Garten Marburg. Neben der konkreten Förderung von Gesprächen lehrt er auch sehr viel über Gespräche im allgemein und wie sie funktionieren. Eine kleine Zusammenfassung davon möchten wir Ihnen hier gerne vorstellen.

Der Garten wurde in vier Bereiche aufgeteilt, die für vier Phasen stehen, in die die Sprechwissenschaftler:innen ernsthafte Gespräche unterteilen:.

1. Sich orientieren: Bevor wir uns zu Wort melden, bewerten wir die Situation - meist ohne, dass wir das selbst bemerken - und orientieren uns: Worum geht es? Wer spricht? Ist es angemessen, sich zu äußern? Was ist meine Motivation und wie dringend ist es für mich, mich zu äußern?

2. Erzählen: Wir denken und kommunizieren sehr viel in Erzählungen. In Geschichten und Sinnzusammenhängen mit einem Anfang, einem Höhepunkt und einem Schluss. Und so steigen wir auch häufig erzählend in ein Gespräch ein und erklären unsere Position und uns selbst über Erzählungen und nutzen sie, um unsere Argumente vorzubringen und andere zu überzeugen.

3. Argumentieren: Beim Argumentieren, also bei dem Versuch zu überzeugen, indem wir eine Behauptung oder These durch andere Aussagen unterstützen oder näher begründen, suchen wir Gründe, prüfen, wägen ab, fordern ein oder ziehen zurück, geben und nehmen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Gesprächsteilnehmer eine Basis eines gemeinsamen Verständnisses der Wirklichkeit haben, finden oder herstellen können.

4. Verhandeln: Gesprächspartner:innen verhandeln miteinander, wenn sie bei unterschiedlichen Positionen das gemeinsame Interesse einer Einigung haben. Dieses gemeinsame Interesse ist oft verbindender als das Trennende der unterschiedlichen Ansichten. Verhandlungen funktionieren besonders gut, wenn man sich auf das Problem konzentriert und nicht auf die Person, und gleichzeitig aber nicht nur die Position der anderen Person berücksichtigt, sondern auch ihre Interessen. Auch diese Interessen sind häufig viel ähnlicher als die vorgebrachten Standpunkte vermuten lassen.

Für die Gründe oder Ziele, wegen derer wir ein ernsthaftes Gespräch oder eine Diskussion führen, schlägt der Gesprächsgarten ebenfalls vier Kategorien oder Haltungen vor.

1. Man kann ein Gespräch als (gemeinsame) „Reise“ verstehen, mit dem Ziel, den eigenen Horizont zu erweitern, zu neuen Einsichten zu kommen, indem man neugierig zuhörend und fragend etwas über die Welt, das Wertesystem und die Begründungen der/des Anderen erfährt.

2. Man kann es wie eine (gemeinsame) „Forschung“ betrachten, mit dem Ziel, durch analytisches Vorgehen zu einem tieferen Verständnis zu gelangen, indem man z.B. Aspekte des Gesagten und des dadurch Ausgelösten sortiert und Bedürfnisse, Wissen, Erfahrungen und Überzeugungen unterscheidet.

3. Man kann ein Gespräch aber auch als „Wettstreit“ betrachten. Das Ziel ist dann, vor allem durch bessere Argumente zu „gewinnen“, die eigenen Argumente weiter zu schärfen und ggf. vor einem Publikum zu glänzen. 

4. Und schließlich kann man ein Gespräch auch als „Spiel“ betreiben, das eine gewisse Leichtigkeit in die Auseinandersetzung bringt, in dem man dann auch einmal ungewohnte Positionen ausprobieren kann, im Sinne von „wir spielen das jetzt mal durch“, um zu einem besseren Verständnis gelangen.

Natürlich haben die Sprechwissenschaftler:innnen von der Uni Marburg auch ganz konkrete Tipps für konstruktive Diskussionen: „Sechs Punkte, die das Streiten schöner machen“. 

Eine offene Haltung: Es ist selbstverständlich, dass man nur dann ein echtes Gespräch im Sinne von Austausch mit jemandem führen kann, wenn man seinem Gegenüber auch wirklich zuhört. Das erfordert aber eine Offenheit zu der man sich bewusst entscheiden muss. Man muss dem Gegenüber genug Raum lassen und ggf. offene Fragen stellen, um herauszufinden, wo es steht. Wenn man den Standpunkt des Gegenübers kennt, kann man im Gegenzug berichten, wo man sich selbst gerade befindet. Bei einem solchen offenen Einstig stellt sich nicht selten heraus, dass man in manchen Punkten gar nicht so weit voneinander entfernt liegt, oder sogar Gemeinsamkeiten hat. Wenn das Gespräch schwierig wird, hilft es, sich auf diese gemeinsamen Positionen und Interessen zurück zu beziehen. 

Gesagtes wiederholen: Um sicher zu gehen, dass man sein Gegenüber richtig verstanden hat und um nicht aneinander vorbei zu reden, ist es hilfreich bevor man zur Antwort ansetzt, das zusammenzufassen auf das man antwortet. Also zu versuchen, zunächst den Kern der Aussage des Gegenübers zu erfassen und zu formulieren.

Themen fokussieren: Je emotionaler ein Thema ist, desto mehr neigt man dazu, einfach nur Meinungen zu äußern und sich darin zu verzetteln, statt einen Standpunkt zu begründen und zu diskutieren. Schon damit sich niemand in Rage redet, sollte man darauf achten, das Gespräch immer wieder zurück zum Thema zu lenken und es ggf. moderieren und die eigenen Punkte eben auch stichhaltig zu begründen.

Emotionen benennen: Auch der nüchternste Mensch wird bei einem kontroversen Thema nicht immer gelassen bleiben, aber bevor man mit unterdrückter Emotion, die das Gegenüber ohnehin spürt, um den heißen Brei redet und von der Emotion getriebene unsachliche Aussagen macht, kann es sehr hilfreich sein, die eigenen Emotionen zu benennen und zu erklären. Durch das Ansprechen der eigenen Emotionen kann man Stellung zu ihnen beziehen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen, und sie damit gewissermaßen selbst auf die Sachebene holen. 

Mut und Neugierde für den Perspektivwechsel: Wenn man von seinem Gegenüber annimmt, dass es ernsthafte Gründe für seinen Standpunkt hat, kann es ziemlich erhellend sein, zu versuchen, probeweise seine Perspektive einzunehmen, und vielleicht einen Eindruck zu gewinnen, wie sich die Position anfühlt. Das schafft Nähe zueinander und mehr Verständnis füreinander.

Wohlwollen dem oder der anderen gegenüber: Natürlich verläuft ein Gespräch freundlicher, wenn man großzügig über offensichtliche Fehler des Gegenübers hinwegsieht, solange sie nicht wesentlich für die Diskussion sind. Wenn man aber das Gefühl hat, dass einige wesentliche Informationen nicht richtig sind, kann man sachlich, aber nicht belehrend, korrigieren und auf Widersprüchlichkeiten hinweisen. Und schließlich kann man auch vorschlagen, gemeinsam nach den fehlenden oder fraglichen Inforationen zu schauen.

Die Uni Marburg hat sich bei der Formulierung ihre sechs Punkte, genau wie der Respektraum bei der Aufstellung seinen Debattentipps, unter anderem von den sehr empfehlenswerten zehn Regeln für eine gute Debatte inspirieren lassen, die erstmalig 2017 auf ZEIT Online anlässlich der Aktion „Deutschland spricht“ erschienen sind.

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